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Sergej Laboda:
Die Entwicklung des Hochschulwesens in Belarus in den 90er Jahren


[...]
3. Private Hochschulen in Belarus - der "Sündenbock" auf dem "Bildungsmarkt"...

Auf die privaten Hochschulen wirkt sich der Staatseinfluss noch belästigender aus. Die Regierung ist sehr "geschickt", wenn es darum geht, unabhängige Bildungseinrichtungen unter ihre Kontrolle zu bringen: nicht durch direkte Verbote, sondern durch administrativen und finanziellen Druck. Man versucht über Erlasse des Präsidenten und Anforderungen des Bildungsministeriums ihre Entwicklung zu behindern und sie als Konkurrenten auf dem "Bildungsmarkt" zu schwächen. Die staatliche Kontrolle verfügt dazu über neue Instrumente wie die Lizenzierung, Attestierung und Akkreditierung der Bildungseinrichtungen und die Zertifizierung der Abschlüsse. In der zweiten Hälfte der 90er trieb die Regierung ein "Verwirrspiel" um die Diplome nichtstaatlicher Hochschulen. Nur akkreditierte Hochschulen durften ein Hochschuldiplom an ihre Absolventen aushändigen. Es gab Abschlüsse - so genannte "Sonderdiplome" - die an nichtstaatlichen Einrichtungen erworben wurden und von der Seite des Staates nicht anerkannt waren, obwohl eine solche Anerkennung im Gesetz über die Bildung von 1991 vorgesehen war.

Zudem bekommen nichtstaatliche Hochschulen zunehmend Schwierigkeiten mit der Verlängerung ihrer Lizenzen.
Man hat die Auflagen so verschärft, dass sie unerfüllbar geworden sind.
Als Beispiel kann eine aus der Sowjetzeit ausgegrabene Verordnung erwähnt werden, die von einer Bildungseinrichtung 14 Quadratmeter Raum pro Student fordert - für gegenwärtige wirtschaftliche Bedingungen eine nichtfinanzierbare Anforderung.
Die privaten Hochschulen existieren deshalb in einem ständigen Gefühl der Unsicherheit, weil unerfüllbare Vorschriften jederzeit erlassen werden können. Noch stärker ist der finanzielle Druck seitens des Staates auf die privaten Hochschulen.

Als ein Beispiel dazu: die nichtstaatlichen Bildungseinrichtungen werden zu den kommerziellen Organisationen gerechnet und sollen aus diesem Grund fast 40% Steuern auf alle ihre Einnahmen entrichten. Durch einen Erlass des Präsidenten vom Oktober 1999 sollen sie aber ihren Angestellten die gleichen Gehälter zahlen wie im staatlichen Bildungssektor.
Die hohe Steuerlast und nicht gegebene Finanzierung aus dem staatlichen Haushalt werden dabei nicht in Betracht gezogen.

Die staatlichen Hochschulen erhalten dagegen eine garantierte Finanzierung aus dem Staatshaushalt. Sie sind nicht mit solchen hohen Abgaben wie private Einrichtungen belastet und haben zusätzlich die Möglichkeit erhalten, gebührenpflichtige Studiengänge einzuführen. In der zweiten Hälfte der 90er kann man sogar eine rasche "Kommerzialisierung" der staatlichen Hochschulen beobachten. Wenn die Quote für "zahlende" Studenten in staatlichen Einrichtungen 1993 nicht mehr als 5% und 1994 nicht mehr als 10% betragen durfte, wurden danach fast keine Begrenzungen festgestellt. 1999 dürfen die staatlichen Hochschulen bereits 60% aller Studienplätze im staatlichen Bildungssektor (vgl. zu 50% 1996) zum gebührenpflichtigen Studium anbieten. Damit sind heute die staatlichen Hochschulen in einer günstigeren finanziellen Situation als die privaten Bildungseinrichtungen. Fast die Hälfte der privaten Einrichtungen hat diese Auseinandersetzung mit dem Staat nicht überlebt. 1997 gab es 20 nichtstaatliche Hochschulen in Belarus, ein Jahr später bereits nur noch 13. Im Jahr 2000 zählte der nichtstaatliche Hochschulsektor 14 private Hochschulen. Die Perspektiven für die nähere Zukunft sehen nicht optimistisch aus. Die Konkurrenz auf dem "Bildungsmarkt" unter den nicht gleichberechtigten Bedingungen wird sich für die privaten Hochschulen besonders verschärfen. Dazu kommt auch eine negative demographische Prognose für die Abiturientenzahl. Laut Statistik wird die Zahl der Schulabsolventen nach dem "Boom" im Jahr 2001 jährlich abnehmen und wird 2009 um 50% gefallen sein.

4. Das "Reformfeuer" für die Zukunft

Die Annäherung des Bildungssystems an die europäischen/internationalen Standards ist für die Republik Belarus heute besonders wichtig. Die Einführung von ziviler Gesellschaft, Marktwirtschaft und Demokratie befindet sich im Land noch in den ersten Anfängen. Im Laufe der Transformation in den vergangenen 10 Jahren ist diese Anforderung noch komplizierter und drängender geworden. In keinem europäischen Staat werden die demokratischen Prinzipien so verletzt wie in Belarus unter dem seit 1994 amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko. Er hat ein autoritäres Regime errichtet und "von oben" Belarus vom Rest Europas politisch und zunehmend auch wirtschaftlich isoliert. Trotz negativer Entwicklungstendenzen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Belarus in der zweiten Hälfte der 90er wächst die Nachfrage nach den Hochschulstudienangeboten. Die Zahl der Studenten hat seit 1990 um 45% zugenommen: für das Studienjahr 2000/2001 sind 241.100 Studierende an staatlichen und 36.600 an privaten Hochschuleinrichtungen des Landes eingeschrieben. Die Hochschulbildung hat einen hohen Stellenwert in der belarussischen Gesellschaft. In diesem Kontext kommt der Reform des Bildungswesens eine sehr wichtige Rolle zu. "Insbesondere in den universitären Bildungseinrichtungen können das Wissen, die Werte und auch die Verhaltensweisen vermittelt werden, die für die Transformation zu Demokratie, Zivilgesellschaft und Markwirtschaft unverzichtbar sind."

Man kann deutlich feststellen, dass es auch potenziell kraftvolle zukunftsorientierte Bewegungen in der belarussischen academic community gibt, die heute wichtige Impulse für die Internationalisierung der Hochschulen und zur Entwicklung eines modernen Belarus geben. Dafür spricht auch die Vielzahl der gegenwärtigen Artikel und Beiträge mit "globalisiertem Kontext" über den Hochschulreformbedarf in der belarussischen bildungs- und wissenschaftlichen Presse. Innerhalb der Hochschulintelligenz und der jungen Generation mit höherer Bildung ist die Aufgeschlossenheit für die Notwendigkeit der Transformation besonders groß. Für sie liegen der politische, wirtschaftliche und gesellschaftlich-kulturelle Wandel und die Öffnung zu wirklicher Transformation und Modernisierung im Eigeninteresse, weil es Hoffnungen auf positive individuelle Zukunftsperspektiven in Belarus als Bestandteil des gesamten Europas gibt.

Trotz der schwierigen Bedingungen entwickelt sich weiter eine sinnvolle und durchführbare internationale Bildungskooperation auf privater und staatlicher Ebene zwischen den Bildungseinrichtungen und Institutionen. Die Globalisierung aller Lebensbereiche fördert internationale Zusammenarbeit und bestraft Abschottung durch wirtschaftlichen und geistigen Verfall. Sehr wichtig dabei ist, wenn pragmatische Visionen, realistische Konzepte und zukunftsorientierte Partner vorhanden sind. Eine Bewegung "von unten" ist da, wenn es keine Entscheidungsschritte "von oben" gibt. Diese Bewegung "von unten" gibt heute die Hoffnung, dass das "Reformfeuer" in Belarus erhalten bleiben wird und die Entwicklung im Hochschulbereich - wie auch auf anderen Gebieten - in der näheren Zukunft nicht als "back to the Future" bezeichnet werden wird.
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Letzte Änderung: 05.09.2003  | Ansprechpartner/in: Inhalt & Technik